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(c) The Academy

 

Wir gratulieren Joon-Ho Bong  ganz herzlich zu den 4 Oscars zu seinem Wunderwerk PARASITE. Wir hatten den koreanischen Meisterregisseur zum Kinostart in der DEADLINE #77 im Interview.

Das Interview wollen wir euch nun hiermit online zugänglich machen.

PARASITE wird in etwa einem Monat in etlichen Versionen via Capelight Pictures und Koch Films erscheinen.

 

Ob SNOWPIERCER, THE HOST oder nun PARASITE: Joon-Ho Bong ist einer der erfolgreichsten und vielseitigsten Regisseure Asiens. Im Interview mit der DEADLINE spricht er nun unter anderem über die sozialen Probleme in Südkorea und erklärt, weshalb er seinen Film HUNDE, DIE BELLEN, BEISSEN NICHT nicht mehr leiden kann.

 

DEADLINE: Nach OKJA und SNOWPIERCER spielt mit PARASITE mal wieder ein Film von dir in Südkorea. Weshalb hast du dich dazu entschieden, den Film in deiner Heimat spielen zu lassen?

 

Joon-Ho Bong: Mein Film ist speziell für das südkoreanische Publikum gemacht und zeigt dessen Lebenswelt. Deshalb gab es gar keine andere Option, als PARASITE in Südkorea spielen zu lassen. Das dortige Publikum reagiert auf den Film noch aktiver als andere Zuschauer. Bevor sie beispielsweise überhaupt auf die Idee kommen, darüber zu diskutieren, welchem Genre mein Film zuzuordnen sei, riechen die Menschen plötzlich an sich, um sich selbst zu überprüfen. Die Südkoreaner schauen den Film an und wissen, dass ich selbst einmal in so einem Halbkellergeschoss gewohnt habe und daher weiß, wovon ich erzähle. Dies führt dazu, dass sie sich auf besondere Weise auf meinen Film einlassen. Sie wissen, dass ich jetzt zwar bekannt bin, aber selbst einmal in der gleichen finanziellen Situation war, wie es viele andere Südkoreaner aktuell sind.

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DEADLINE: Woher kam die Idee, Geruch als Kennzeichnung für eine soziale Klasse zu verwenden?

 

Bong: Es geht um die Situationen, in denen die Armen und die Reichen zusammenkommen. Menschen sprechen über vieles, über Geruch jedoch eher nicht. Selbst unter guten Bekannten und Verwandten ist dies selten. Aber es gibt nun einmal immer wieder Situationen, wo wir anderen sehr nah sind und diese eng an uns heranlassen müssen. Beispielsweise wenn die Armen die Reichen als Chauffeur, Nachhilfelehrer oder Küchenhilfe unterstützen. Erst durch diese Tätigkeiten haben die Armen die Möglichkeit, mal die Lebenswelt der Reichen kennenzulernen. Denn reiche und arme Menschen wohnen in der Regel in unterschiedlichen Gegenden und gehen woanders essen. Durch die genannten Tätigkeiten kommen sie dann doch in Berührung, und man stellt fest, dass sie unterschiedlich riechen. Bei meinen Filmen geht es prinzipiell nicht um Arm oder Reich an sich, sondern um die Situationen, wo deren unterschiedliche Lebenswelten aufeinanderprallen. Geruch ist auch etwas Entblößendes. Niemand kann das verstecken, und deshalb ist es manchmal auch ein wenig grausam und bizarr. Ich konnte es daher nicht vermeiden, Gerüche zu verwenden, um meine Szenen realistisch darzustellen.

 

DEADLINE: Was hat sich für dich nach dem Gewinn der Goldenen Palme in Cannes geändert?

 

Bong: Aktuell ist es relativ ruhig. Der Gewinn ist aber ja nun auch schon eine kleine Weile her. In der Woche nachdem ich die Auszeichnung erhalten hatte, war die Stimmung allerdings ein wenig überhitzt. Ich wurde behandelt, als hätte ich bei den olympischen Spielen gerade eine Goldmedaille gewonnen. Die Goldene Palme wurde ja von richtigen Politikern übergeben. Den Preis habe ich mit großer Dankbarkeit entgegengenommen, gleichzeitig habe ich dabei aber auch gedacht: Seit wann interessieren sich Politiker eigentlich für meine Filme?

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DEADLINE: Früher warst du noch nicht so bekannt. Wirst du heute von deinem privaten Umfeld anders beäugt?

 

Bong: Von Kindheitstagen an war ich nie jemand, der sich ein ganz großes Netz an Freunden aufgebaut hat. Ich habe auch heute noch wenige, dafür aber sehr enge Freunde und Bekanntschaften. Die Menschen, mit denen ich mich heute treffe, kenne ich schon sehr lange und habe ich auch schon früher getroffen. Das heißt, mein Bekanntenkreis hat sich im Laufe der Jahre nicht großartig geändert, und ich habe auch nicht den Eindruck, dass ich von meinen Freunden auf irgendeine Weise anders betrachtet oder behandelt werde als vor 20 Jahren. Auch gehe ich noch immer da essen, wo ich früher essen gegangen bin.

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DEADLINE: Wenn es in PARASITE gewalttätig wird, wird nicht einfach geschossen, sondern mit Messern und Co. hantiert. Ist das etwas typisch Südkoreanisches?

 

Bong: Zunächst ist es so, dass in Südkorea Waffenbesitz verboten ist. Selbst die Gangster in unserem Land haben in der Regel keine Schusswaffen. Oft ist es einfach so, dass in der Natur vorgefundene Gegenstände als Gewaltmittel eingesetzt werden. Auch das Messer, welches wir im Film genutzt haben, ist nicht für eine Kampf- oder Kriegssituation gedacht, sondern eigentlich ein Kochmesser. Genau wie der Stein eigentlich zur Meditation gedacht war. Ich habe bei meinem Film also nicht explizit gesagt, dass ich keine Schusswaffen verwenden möchte, sondern es hat sich ganz natürlich von selbst ergeben.

PARASITE-Regiseur Bong Joon-ho