Vom 15. bis 18. August 2018 schallte das SUMMER BREEZE Open Air bereits zum dreizehnten Mal durch das schöne Dinkelsbühl. Die DEADLINE war wie in den Vorjahren als Medienpartner bei einem der angenehmsten Metalfestivals Deutschlands dabei. Von den zunächst angekündigten Gewittern fehlte glücklicherweise jede Spur. Lediglich ein kurzer Regenschauer am späten Freitagnachmittag sorgte für etwas Abkühlung an dem ansonsten brutal sonnigen Festivalwochenende. Rund 40.000 Metal-Fans feierten ausgelassen mit über 130 Bands auf vier Bühnen. Davon hat sich erfreulicherweise die in diesem Jahr deutlich größere Camel Stage von einem Spielort für aufstrebende Bands zu einer dritten großen Bühne gemausert.
Mittwoch, 15. August 2018
Der frühe Mittwochnachmittag lässt sich mit Metalcore von ANY GIVEN DAY und Death Metal von DEATHRITE bereits musikalisch extrem bestreiten, daneben kommen Headbanger mit MONUMENT und Tanzfanatiker mit dem NIGHT FLIGHT ORCHESTRA auf ihre Kosten. Mal ganz abgesehen von der BLASMUSIK ILLENSCHWANG, die unter dem Gejohle des Publikums die neue Camel Stage einweiht.
„Born Again“ heißt das neue Album der FARMER BOYS, das im November erscheinen wird. Lange war es still um die Stuttgarter, die zuletzt 2004 mit „The Other Side“ auf sich aufmerksam machten. Die Fans haben lange und gerne gewartet und begeben sich mit der Band am Nachmittag auf eine Zeitreise, die zur Freude der Anwesenden mit „When Pigs Fly“ eingeleitet wird. Die Stimmung ist direkt gut, auch wenn leider der hingebungsvolle Gesang von Fronter Matthias Sayer ein wenig dumpf aus den Lautsprechern der T-Stage klingt. Der grinst mit den alten und neuen Bandmitglieder glücklich durchs Set, das sein Finale in einer staubigen Moshpit zu „Here comes the pain“ findet.

Apropos Staub: Die anhaltende Hitzewelle hatte das Gelände in ein trockenes Ödland verwandelt, sodass nahezu jedes Tanzmanöver und erst recht eine Pit umgehend eine sandige und nicht sonderlich atmungsaktive Wolke heraufbeschwörte. Auf jedes Naseputzen folgte ein rotziger Rorschach-Test im Taschentuch. Die übliche Bewässerung des Geländes konnte aufgrund der gnadenlosen Dürre nicht durchgeführt werden, da diese einen geringen Wasserdruck im Frischwassernetzwerk der Region verursacht hatte. Wasser wurde zur Mangelware, teilweise mussten Sanitärstationen und Duschen schließen, um die Situation zu entschärfen. Für die zahlreichen Wasserstellen und Toiletten auf dem Festivalgelände verdienen Organisatoren und Helfer daher ein umso größeres Lob. Auch ein derart sauberes Infield gibt es selten zu sehen. Kompliment.

Die Black Metal Isländer AUÐN haben das Pech, trotz Dach der Camel Stage in gleißender Sonne zu spielen. Das schadet der Atmosphäre, musikalisch gibt es an der soliden Darbietung allerdings wenig auszusetzen. Zugegeben lenken aber die Menschenmassen ab, die bereits in Richtung T-Stage strömen. Denn dort spielen KATAKLYSM, die den Mittwoch als Tagessieger beenden werden. Das Publikum hat unglaublich viel Bock auf die Kanadier, die die Menge ununterbrochen anheizen. Die Band fordert Circle und Crowdsurfer. Shouter Maurizio Iacono scherzt, dass die Vertreter der Security, auch „Grabenschlampen“ genannt, doch wie Wikinger aussehen und sich langweilen, da es wie bei einem Justin-Bieber-Konzert zugehe. „Give them something to do!“ Und das macht das Summer Breeze. Deathgasm!

Wenig später knallen die Schweden von RAM dem Summer Breeze old-schooligen Heavy Metal um die Ohren. An die hohe Stimme von Sänger Oscar Carlquist muss man sich gewöhnen, Fans von JUDAS PRIEST juckt das natürlich nicht. Dann ist es auch schon Zeit für SEPULTURA, die den 20. Geburtstag mit Frontman Derrick Green feiern. Noch immer gibt es Skeptiker, die mit den „neuen“ SEPULTURA nichts anfangen können. Die Band beweist an diesem Abend aufs Neue, dass es dafür keinen Grund gibt. Die Fans empfangen die Brasilianer gebührend mit einer Circle Pit. Die Show macht Spaß und teilweise gibt es so viele Crowdsurfer, dass Besucher genervt den Bereich vor der Bühne verlassen. Für charmantes Kichern sorgt der bayerische Akzent von Fronter Green, wenn er auf Deutsch zum Publikum spricht.
Ein schwarzes Meer aus Besuchern pilgert danach durch die Dunkelheit zu WARBRINGER, die aufgrund der Publikumsreaktionen auch auf der Main Stage hätten spielen können. Der Leckerbissen für die Nacht kommt aber von den Düsterveteranen PARADISE LOST. Nick Holmes‘ Gesang bleibt anfangs etwas zurück, im Verlauf des Auftritts verbessert sich die Klangkulisse und gerade die Growls kommen gut. Die Band schenkt den Fans mit einer bunt gemischten Setlist aus allen Schaffensphasen Stoff für Träume und „Forever Failure“ ist wieder einmal zum Niederknien schön.

Wer es danach noch dunkler will, taumelt mit dem scheppernden Black Metal von PILORIAN in die Nacht. Mit Acts wie EVIL SCARECROW ist aber auch der Spaßfaktor (zieht euch das Video rein) gesichert und selbstverständlich warteten echte Metaller bis 2 Uhr nachts auf ROSS THE BOSS. True Metal. Aber ebenso true spät nach so einem ersten Tag.
Donnerstag, 16. August 2018
Auf dem Weg von Dinkelsbühl zum Festivalshuttle passieren wir eine aufgeregte Kindergruppe, die uns mit High Fives und „Summer Breeeeeeeeze“ Rufen begrüßt. Auf dem Parkplatz kommt man mit Einwohnern ins Gespräch. Die meisten sind mit dem Festival vertraut und freuen sich über interessierte Besucher, die am Vormittag noch ein bisschen nüchtern sind. Das späte Frühstück gibt es am Donnerstag mit den brasilianischen Thrashern NERVOSA, die sich aufgrund einer fantastischen, von Sprechchören und Circle Pits getragenen Stimmung sichtbar wohl fühlen. „You make me cry“, sagt Sängerin Fernanda Lira und lässt danach die Saiten sprechen. Eine rein weiblich besetzte Metalband ist leider noch immer exotisch. Daher ist es umso erfreulicher, dass der Großteil des Publikums nicht deswegen erschienen ist. Sondern weil NERVOSA ein verdammt fettes Brett in die Menge kloppen, die moshend im Staub bei 30 Grad Hochleistungssport leistet. Die Schlange während der Autogrammstunde der Band wird später riesig sein.

Die Stuttgarter VENUES sind den ganzen Metallern mit ihrem poppigen Post-Hardcore doch viel zu seicht, oder? Denkste! Vor der Camel Stage ist es voll und die sympathische Band, bei der sich Shouts und Klargesang wunderbar ergänzen, freut sich über den Zuspruch des Publikums, das eifrig klatscht, aber noch etwas bewegungsfaul ist. Einen Vorwurf kann man weder VENUES noch den Zuschauern machen – es ist verdammt heiß und der Tag ist noch lang.
Jamey JASTA ist meist als Sänger von HATEBREED unterwegs, heute schaute der beliebte Schreihals mit seiner Solo-Band vorbei – wenn man das so nennen kann. Schon im Vorfeld war klar, dass er mit einigen Überraschungsgästen anreisen würde. Und die hatten es in sich und erfreuten vor allem ältere Fans. Zunächst holt JASTA den Death-Metal-Nachwuchs von UNCURED auf die Bühne, die dem Summer Breeze gekonnt HATEBREEDs Gassenhauer „Destroy Everything” um die Ohren prügeln. Dann erscheint nicht nur Sänger Howard Jones (LIGHT THE TORCH/DEVIL YOU KNOW), sondern auch FEAR-FACTORY-Riffbeast Dino Cazares on stage. Gemeinsam spielen die Jungs Hits wie „Edgecrusher“ oder „Replica“ und der ein oder andere FEAR-FACTORY-Fan dürfte sich gewünscht haben, dass diese Songs mit Burton C. Bell am Mikro auch so klingen.

Beim nächsten Gast wachsen JASTA die Mundwinkel vor Grinsen fast hinter die Ohren, denn Kirk Windstein (CROWBAR, Ex-DOOM) ist ebenfalls am Start und donnert alles nieder. Geht da noch was? Japp. Kyle Thomas von EXHORDER stand kurz zuvor mit seiner eigenen Band auf der Bühne. Nun singt er zum Abschluss DOWNs “Bury Me In Smoke” und JASTA kann sich vor Freude kaum Halten und filmt den Auftritt selbst mit. Da steht eine Familie auf der Bühne.
“Wir sind nachher bei CANNIBAL CORPSE und BEHEMOTH in der ersten Reihe.“ So sprechen Fans und genau das sind OBSCURA aus Bayern, die mit ihrem Technical Death Metal die Frickelfraktion bedienen. Headbangen oder mit ungläubig offenem Mund starren – das geht hier beides. Weniger technisch, aber umso druckvoller agieren die aus Abtsgmünd stammenden NECROTED. Was ein Death Metal Geballer vor beachtlichen Mosh Pits. Die gibt es auch bei MUNICIPAL WASTE und die daraus resultierenden Sandstaubwolken nehmen beängstigende Dimensionen an.
THE BLACK DAHLIA MURDER starten mit schwach abgemischtem Gesang, wie in diesem Jahr leider öfter an der T-Stage zu hören. Dafür haut die Band gnadenlos in die Instrumente und irgendwie ist es auch egal. Die zahlreichen Fans haben Lust auf Mosh, Surf, Staub und lassen sich vom belebenden Todesmetal der Amis ins Paradies dreschen.

Auf der Main Stage klotzen EISBRECHER mit einer fetten Bühnendeko, die die Headliner-Qualitäten der Band unterstreicht. Alexander „Alexx“ Wesselsky und seine Kollegen führen mit einem Set voller Fanfavoriten durch den Auftritt, der selbstverständlich nicht ohne Showeinlagen und Sprücheklopfen auskommt. Aber auch gewichtigere Ansagen gehören zum Programm inklusive Dank an die Festivalorganisation und eine Entschuldigung, da der Frontmann kurz zuvor das Publikum als M’era Luna angesprochen hat („Ich bin fast 50…“). Dafür gibt es dann Fankontakt in der ersten Reihe, was vor allem die Mädels freut und zum Abschluss eine CLAWFINGER Referenz.

Blendend ist die Stimmung auch bei den kanadischen Hardcore-Punks von COMEBACK KID, die trotz der parallel spielenden BEHEMOTH ein top motiviertes Publikum vorfinden. Circle Pit Galore!
Aber klar, der Großteil des Festivals bestaunt die polnische Ausnahmeband, die ihrem Namen auf der Main Stage alle Ehre macht und ein Biest von einem Auftritt in Dinkelsbühl entfesselt. Unglaublich, wie viele Menschen heute Abend diese krasse Mucke wollen, die durch die theatralischen Show und die dominanten Bühnenpräsenz der Bandmitglieder weiter an Druck gewinnt. Überall Fäuste und Pommesgabeln. Respekt.

Von der Hölle in den Himmel geht es mit einem energiegeladenen Set von ESKIMO CALLBOY. Es ist voll im Publikum, sodass zeitweise gar das moshen schwer fällt. Es ist einfach kein Platz mehr da. Hater mögen diese Band weiter verfluchen, doch die beste Party kommt heute Abend aus Castrop-Rauxel. Zum Konfetti springt das Publikum entrückt zu Beats und Breakdowns. Zum Schluss der Kalauer „MC Thunder“, den manche Zuschauer sicher heimlich mitgesungen haben.
Auf eine interessant überraschende Weise entspannend sind die brachialen Klangwelten von CELESTE. Die Franzosen treten gewöhnlich in kompletter Dunkelheit auf, die von den roten Strahlen ihrer Stirnleuchten durchschnitten wird. Auf der Camel Stage trägt zudem sehr viel dichter weißer Rauch zur Atmosphäre bei, als die Band Doom, Black Metal und Post-Hardcore zu einer hypotischen Melange vermengt, die das Publikum mehr bezeugt als wahrnimmt. „Ich habe Kopfweh, aber ich muss trotzdem bangen, weil das so geil ist“, sagt ein Besucher.

Nackenschmerzen vorprogrammiert sind beim Auftritt von CANNIBAL CORPSE, die ein wenig monoton, aber selbstverständlich in technischer Perfektion die Nacht zerfetzen. Das SUMMER BREEZE hat mächtig Bock darauf, sofern es nicht gerade dem von Feuerwerk begleiteten Headliner-Auftritt von POWERWOLF beiwohnt. Die Band, die mit neuem Album am Start ist, hat eine beeindruckende Bühnenkulisse aufgefahren und schmettert Hit um Hit in die begeisterte Menge. Überhaupt: Die Dichte an POWERWOLF-Shirts ist sehr hoch auf dem SUMMER BREEZE.
Nach so einem Auftritt die Main Stage abzuschließen ist ein wenig undankbar, aber die SUICIDAL TENDENCIES machen das Beste daraus – natürlich. Die Crossover-Veteranen der 1980 gegründeten Band sind fit und gehen mit viel Energie ans Werk, auch wenn bei Sänger Mike Muir manchmal für einen Sekundenbruchteil der Eindruck entsteht, dass er müde ist. Aber dann rennt er wieder über die Bühne und ruft dem Publikum die vertrauten Lebensappelle zu, bevor sich dieses in einer Mosh Pit wiederfindet.
Riesenspaß hat Bassist Ra Diaz, der bei seinem Solo in „Send Me Your Money“ ins Drumset von Dave Lombardo kracht. Das könnt ihr euch übrigens wie viele andere Konzerte vom SUMMER BREEZE beim WDR Rockpalast ansehen. Nachdem Muir bereits zu Beginn zwei Fans auf die Bühne geholt hatte, lädt er zum Ende des Sets mehr oder weniger alle ein. Das Publikum lässt sich nicht lumpen und feiert mit der Band und „Pledge Your Allegiance“. Das neue Album der Band „Still Cyco Punk After All These Years“ erscheint am 7. September, zeitgleich mit einer SUICIDAL-TENDENCIES-Schuhkollektion von Converse.
Freitag, 17. August 2018
Einen frühen Höhepunkt am Freitagmittag bereiten die Australier NORTHLANE mit ihrem djentigen Progressive Metalcore, der mit unkonventionellen Strukturen und dem Wohlklang von Sänger Marcus Bridge gefällt. Hitze und Sound drücken um die Wette, das Stageacting von NORTHLANEs Saitenschwingern überträgt Energie und das Set lässt kaum Wünsche offen. Nice!

TOXIC HOLOCAUST war zunächst das Soloprojekt von Joel Grind, der die ersten Alben komplett selbst einspielte. Die Band präsentiert ihren ohnehin schnellen Thrash Metal schnörkellos und ohne Rücksicht auf Verluste – das vergleichweise verblüffend überschaubare Publikum sehnt sich danach. Wer hier in der Menge mit dem Kopf wackelt, die Faust in den Himmel reckt oder in der staubigen Pit verschwindet, ist Fan. Beim Blick zur Main Stage fällt ein wuselnder Zuschauerstrom mit Lust auf poppige Unterhaltung auf: AMARANTHE sind da und der helle Klargesang von Frontfrau Elize Ryd schallt übers Breeze. Die schwedisch-dänische Band, die neben eben jenen poppigen Anleihen auch vor elektronischen Spielereien nicht zurückschreckt, hat jede Menge Melodien dabei und das mitsingfreudige Publikum hat jede Menge Spaß. Wer es härter und nachdenklicher mag, schaut bei MISERY INDEX vorbei, die ein mächtiges Groove-Gewitter in die Menge jagen, wo zahlreiche Headbanger aufs Heftigste das Haupt schütteln.