Am 22. und 23. Juli 2017 öffnete das Amphi Festival zum mittlerweile 13. Mal seine Tore. Rund 12.500 Besucher feierten im Kölner Tanzbrunnen und auf der MS Rheinenergie mit 42 Bands auf drei Bühnen die schwarze Szene und das in gewohnt gemütlich-familiärer Atmosphäre. Die DEADLINE war erneut als Medienpartner dabei.

Wie jedes Jahr tummelten sich bereits vor dem offiziellen Festivalstart zahlreiche Besucher rund um den Kölner Tanzbrunnen und in der Innenstadt, wo diverse Museen im Rahmen des Amphis zu ermäßigten Preisen besucht werden konnten. Die meisten „Grufties“ machten es sich aber lieber in Kneipen und Restaurants gemütlich, was bei dem ein oder anderen Stadttouristen zahme Verwirrung auslöste: „Warum sind denn hier so viele Leute in schwarzen Klamotten unterwegs?“ Am Vorabend zum Beispiel wegen der offziellen Pre-Party oder dem Festival-Eröffnungsevent Call The Ship To Port mit SCHEUBER, NEUROTICFISH und den EBM-Helden FRONT 242.

Die auf der MS RheinEnergie stattfindenden Konzerte stellten die Organisatoren dieses Jahr bedingt durch Niedrigwasser vor eine besondere Herausforderung, da das während des Festivalbetriebs als Orbit Stage genutzte Partyschiff seinen üblichen Anlegeort nicht ansteuern konnte. Kurzfristig wurde auf das gegenüberliegende Rheinufer ausgewichen und ein Bustransfer vom Tanzbrunnen organisiert. Es dauerte eine Weile, bis sich die Nachricht zum Festivalbeginn am Samstag herumgesprochen hatte und für die Fahrt im meist kuschelvollen Bus musste genug Zeit einkalkuliert werden, um die auf der Orbit Stage spielende Lieblingsband nicht zu verpassen. Jedoch gilt der Festivalleitung ein dickes Lob für die kurzfristige Problemlösung.

Das Amphi selbst startete bereits zur frühen Morgenstunde – 11 Uhr ist in Festivalzeit nahezu prähistorisch – dank der Londoner Elektropopper EMPATHY TEST mit einem wunderbar gefühlvollen Klangfrühstück. Das Debutalbum der Band wurde über Pledge finanziert und soll dieses Jahr erscheinen. Gefühlfühl und tanzbar – empfehlenswert.

Im Anschluss betritt die Hamburger EISFABRIK die Bühne, ein selbsternanntes Kunstprojekt, das sich „irgendwo zwischen Dark Electro und Future Pop“ (Bandwebsite) bewegt. Dass hier Männer in Winterkleidung bei sommerlicher Hitze auf der Bühne stehen, Glitzerschnee ins Publikum schießen und einen tanzenden Yeti durch die Menge schicken, mag für ein Gruftie Festival weniger cool als cheesy klingen. Aber die Stimmung ist ausgelassen, die Show stimmt und tatsächlich machen EISFABRIK ziemlich gelungenen Synthpop, der auch textliche Kniffe parat hält.

Elektronisch-poppig mit einem Hauch EBM geht es bei CHROM zu, die zwar nur bedingt durch ihre Darbietung auffallen, aber jede Menge Hits eingepackt haben und keinen Fan in der großen Zuhörerschar unglücklich zurückgelassen haben dürften.

Neben Musik, Sehen und Gesehen werden…und über die Preise von Speisen und Getränken meckern…gehören auch ausgedehnte Shopping-Eskapaden zum Amphi. Das Angebot ist wie in jedem Jahr reichlich und schlagartig ärgert man sich beim Versuch eine Hose anzuprobieren über die sorgfältig geschnürten 14-Loch Stiefel. Dafür lassen sich aber auch wunderbare Situationen im Einkaufstrubel beobachten, etwa einen Old-School EBM-Papa, der mit dem Sohnemann über Elektroalben fachsimpelt. Auch das ist Amphi.

TANZWUT wirken in diesem Jahr ein wenig ausgebrannt und das Publikum vor der Hauptbühne ist für diese Band verblüffend überschaubar. Dennoch tut es gut, Gitarren über den Tanzbrunnen sägen zu hören. Andere Saiten locken zur gleichen Zeit allerdings auf die Orbit Stage, wo die Essener Gothic Rocker ÆON SABLE auftreten und überzeugen. Eine weitere Entdeckung ist im Anschluss der Schwede HENRIC DE LA COUR, dessen Show durchaus die Beschreibung kunstvoll verdient.
Apropos Entdeckungen: Die meisten Festival-Line-ups wiederholen sich mittlerweile zumindest bei den Headlinern im Zweijahresrhythmus. Eine Entwicklung, die den Wünschen des Publikums, aber auch wirtschaftlichem Kalkül geschuldet ist. Das ist so legitim wie verständlich, für Stammgäste kann das jedoch ermüdend sein. Auch das Amphi muss sich jährlich aufs Neue diesen Vorwürfen stellen, auch wenn ein Drittel der diesjährigen Künstler erstmalig beim Festival auftraten. Dazu gehören auf der Orbit Stage auch die britischen Postrocker ESBEN & THE WITCH und das schwedischen Sythieduo KITE auf der Theater Stage, wo sich das Publikum über die neue Einlassregelung freut – und natürlich KITE. Die Jungs erschaffen eine euphorische Atmosphäre und erspielen sich an diesem Tag viele neue Fans.

Zur Headliner-Zeit am Abend fährt das Amphi mit FIELDS OF THE NEPHILIM, DIE KRUPPS, CLAN OF XYMOX und VNV NATION eine ganze Reihe von Veteranen und musikalischen Pionieren auf.

DIE KRUPPS begeistern mit einer energiegeladenen Show, aber letztlich ist wieder Papa Ronan Harris von VNV NATION, der sich mit Charme und Witz in die Herzen des Publikums singt. „Halt dein Einhorn hoch“ ruft er einem Fan in der Menge zu, der mit einem Steckeneinhorn aus Plüsch zum Konzert gekommen ist. Goth ist das nicht unbedingt. Aber das Amphi lächelt und taucht den Tanzbrunnen bei „Nova (Shine a Light On Me)“ ins Smartphone-Taschenlampenmeer.
